Sozialversicherungsfreiheit von Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern – Stimmbindungsvertrag als Ausweg?
Wer zu mindestens 50 % an einer Gesellschaft beteiligt ist, unterliegt in der Regel nicht der Sozialversicherungspflicht, wenn er für die Gesellschaft tätig ist. Minderheitsgesellschafter werden dagegen – entgegen der gelebten Praxis der vergangenen Jahre – nahezu regelmäßig als sozialversicherungspflichtig eingestuft. Fraglich ist, ob Stimmrechtsbindungsverträge geeignet sind, die sozialversicherungsrechtlichen Ergebnisse im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens und damit auch die Sozialversicherungspflicht eines nicht mehrheitlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers zu beeinflussen?
Die Sozialgerichte beurteilen derartige Vereinbarungen nicht einheitlich
So hatte das sächsische Landessozialgericht mit Urteil vom 4. März 2014 (Az.: L 1 KR 9/11) beispielsweise festgestellt, dass ein Stimmrechtsbindungsvertrag durchaus Einfluss auf den sozialrechtlichen Status haben kann. So haben Minderheitsgesellschafter einer GmbH ohne Sperrminorität die Rechtsmacht, ihnen nicht genehme Weisungen zu verhindern, wenn sich alle Gesellschafter der GmbH schuldrechtlich verpflichtet haben, Beschlüsse nach ihrer Satzung nur einstimmig zu fassen.
Das hessische Landessozialgericht stellt mit Urteil vom 15. Mai 2014 (Az.: L 1 KR 235/13) fest, dass ein GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Minderheitsbeteiligung, dem vertraglich ein Veto-Recht eingeräumt wird, das eine Stimmbindungsvereinbarung beinhaltet, über die Rechtsmacht eines Gesellschafters mit Sperrminorität verfügt. Aufgrund der ihm durch die Stimmbindungsvereinbarung verliehenen Rechtsmacht ist es dem Gesellschafter dadurch möglich, ihm nicht genehme Beschlüsse und Weisungen abzuwenden und somit die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich zu beeinflussen.
Anders jedoch das Landessozialgericht Hamburg. Dieses stellte mit Urteil vom 7. August 2013 (Az.: L 2 R 31/10) fest, dass eine Stimmrechtsbindungsvereinbarung lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung begründet. Dies hat zur Folge, dass eine Stimmabgabe in der Regel auch dann gültig ist, wenn sie entgegen einem wirksamen Stimmbindungsvertrag erfolgt. Ein Mangel des Gesellschafterbeschlusses wird durch eine Stimmabgabe entgegen der Stimmvereinbarung grundsätzlich nicht bewirkt. Insoweit bleibt abzuwarten, ob sich hier in Zukunft eine bundeseinheitliche Sichtweise durchsetzt.
Die Rechtsprechung zum Einfluss von Stimmbindungsverträgen auf den sozialrechtlichen Status ist aktuell noch uneinheitlich. Eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Beurteilung von Stimmbindungsverträgen in Zusammenhang mit Statusfeststellungen steht noch aus. Das hessische Landessozialgericht hat daher die Revision zugelassenen. Diese ist beim BSG unter dem Aktenzeichen 12 KR 10/14 R anhängig. Wenn ein Stimmrechtsbindungsvertrag als Gestaltungsmittel gewählt wird, müssen die sozialrechtlichen Auswirkungen in den Blick genommen werden.
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