Der Tönnies Trick – Bußgeldumgehung durch Unternehmensumstrukturierung

Es war eines der höchsten Bußgelder in der Geschichte des Bundeskartellamts: Eine Kartellstrafe über insgesamt 338 Millionen Euro hat die Behörde im vergangenen Jahr gegen gut 20 Wursthersteller verhängt. Schalke-Boss und Unternehmer Clemens Tönnies hat zwei seiner Firmen, die Teil des Kartells waren, aus dem Handelsregister löschen lassen.

Dabei ist der Kniff kein Einzelfall und nicht neu: So sparte sich der Versicherer Gerling eine Kartellbuße, als er mit der Talanx-Tochter HDI zur heutigen HDI Gerling fusionierte – damals galt das Prinzip: Wird ein Unternehmen, das für einen Wettbewerbsverstoß geradestehen soll, auf ein anderes übertragen, haftet das zweite Unternehmen nicht für frühere Verstöße. Der Fall HDI Gerling ging sogar bis zum Bundesgerichtshof, der bestätigte, dass alles mit rechten Dingen abgelaufen sei.

Dem Gesetzgeber waren diese Freiheiten allerdings ein Dorn im Auge: Er stellte 2013 durch die 8. GWB-Novelle klar, dass Unternehmen sich nicht mehr durch Aufspaltungen und Verschmelzungen aus der Affäre ziehen können – das aufnehmende Unternehmen haftet seitdem als Rechtsnachfolger für Strafen aus der Zeit vor der Umstrukturierung.

Dass diese Regelung aber immer noch beträchtliche Lücken hat, haben Tönnies und seine Anwälte zuletzt eindrucksvoll bewiesen. Denn der Unternehmer hat Böklunder und Könecke nicht einfach anderen seiner Gesellschaften einverleibt, er hat die Firmen vollständig zerschlagen: Im Fall von Böklunder hat er die Produktion durch einen Asset Deal auf ein neugegründetes Unternehmen übertragen. Übrig bleibt ein Restunternehmen, in dem nur noch der Werksverkauf mit vergleichsweise geringen Umsätzen angesiedelt ist. In dieser Hülle hat der Schalke-Boss zudem die Gesellschafter komplett ausgewechselt und durch einen einzelnen Kommanditisten ersetzt. Der neue Kommanditist übernahm zwar die Rechte und Pflichten des Unternehmens, haftet rechtlich aber nicht für die Kartellbuße.

Und das ist nach dem jetzigen Stand ganz legal. Ordnungswidrigkeitenrecht verfolge einen „formalistischen Ansatz“, was bedeutet, dass wer als Rechtsnachfolger haftet, sich nach gesellschaftsrechtlichen Strukturen bestimmt, nicht unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Dass ein anderes Unternehmen nun die Böklunder-Produktion betreibt, bringt dieses also nicht in die Gefahr, für den Kartellverstoß zahlen zu müssen.

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